
Weitspringer Markus Rehm erzielt 8,72 Meter
BBV-Pressebericht und Foto von Matthias Grütter
Rhede - Der 34-jährige Markus Rehm verzückte die Leichtathletikfans am frühen Sonntagabend im Besagroup-Sportpark.
Der Para-Sportler sprang 8,72 Meter weit. Der Athlet des TSV Bayer Leverkusen verbesserte seine von ihm gehaltene weltweite Bestmarke um acht Zentimeter. Seine persönliche Bestleistung hatte bei 8,66 Meter gestanden, was aber nicht als Weltrekord gewertet worden war.
Am Sonntag setzte Rehm damit den absolut krönenden Abschluss unter das 51. internationale Meeting des LAZ Rhede. Logisch, dass der 34-jährige Göppinger für zahlreiche Selfies, zum Beispiel mit Nachwuchsathletinnen des Gastgebers, heiß begehrt war.
Im BBV-Interview sprudelte es aus dem Strahlemann nur so heraus: „Das war der Wahnsinn. Also, der erste Versuch war schon ziemlich gut. Da habe ich schon gemerkt: Da könnte was gehen heute. Mit 8,53 Metern habe ich noch nie einen Wettkampf so gut begonnen.“
Dann habe er zwischendurch gemerkt: „Bei allen Versuchen war etwas möglich, habe es aber nicht so richtig aufs Brett bekommen. Dann aber, beim letzten Versuch, das ist tatsächlich immer mein Versuch, da springe ich meistens noch ziemlich weit: Das war richtig cool, dass das geklappt hat, auch deshalb, weil alle aufgestanden sind und noch einmal richtig geklatscht haben. So etwas beflügelt natürlich“ – im wahrsten Wortsinn.
Wie er sich zusätzlich motivieren konnte, lag auch auf der Hand: „Das beflügelt hier definitiv in Rhede, die Anlage ist super, da kann man gut, da kann man weit springen. Und ich bin auch ganz ehrlich: Der Stadionrekord von Mike Powell, der hat mich heute ein bisschen gelockt.“
Der US-Amerikaner hatte 1991 im Rheder Sportzentrum 8,60 Meter gesprungen. Im selben Jahr wurde er in Tokio Weltmeister, nach einem legendären Zweikampf mit Carl Lewis. Die beiden hatten sich dermaßen hochgeschaukelt, durch mehrere Weltrekorde, bis Powell mit 8,95 Metern erneut Weltrekord sprang, der bis heute noch Bestand hat. Seinen Rheder Stadionrekord ist er nun futsch.
„So einer Legende nimmt man nicht jeden Tag den Stadionrekord weg“, sagte Rehm dann auch im BBV-Interview mit einem Schmunzeln. „Aber das ist natürlich für mich sehr schön. 8,72 Meter ist wirklich eine ganz tolle Weite. Ich bin wahnsinnig happy damit.“
Rehm blickte auch noch weiter voraus und sagte unmittelbar nach seinem Weltrekordsprung: „Ich springe in diesem Jahr noch in Paris. Das ist noch unser letzter Wettkampf.“ Das sind die Para-Weltmeisterschaften. „Das ist für uns der Saisonhöhepunkt, genau in zwei Wochen geht es los. Am 14. Juli ist der Weitsprung-Wettkampf. Danach geht es dann hoffentlich in den wohlverdienten Urlaub.“ Gut möglich, dass er seinen Weltrekord erneut attackieren kann, da er am Sonntag in Rhede einen bärenstarken Eindruck machte.
Einer der ersten Gratulanten war natürlich der LAZ-Stützpunktleiter und Meetingorganisator Jürgen Palm. Auch Steffi Nerius, Trainerin von Marcus Rehm, war mächtig stolz auf ihren Athleten. Sie war in ihrer aktiven Zeit Speerwurf-Weltmeisterin und nahm an Olympischen Sommerspielen teil (Bestleistung 68,43 Meter).
Und der Rheder Bürgermeister Jürgen Bernsmann war natürlich auch entzückt. Er nahm die Siegerehrung vor und sagte: „Einen Weltrekord bekommt man auch nicht immer zum Geburtstag geschenkt.“ Rhedes erster Mann hatte tatsächlich am Sonntag seinen Ehrentag.
Der Leistungssportler Markus Rehm startet mit einer Prothese. Als 14-jähriger Wakeboarder verlor er bei einem Unfall im Rahmen eines Wakeboard-Trainings (August 2003) sein rechtes Bein unterhalb des Knies. Seine Startklasse heißt aktuell T64. Er ist viermaliger Sieger bei Paralympischen Spielen, dort gewann er auch schon einmal Bronze. Unzählige Medaillen bei IPC-Weltmeisterschaften, IPC-Europameisterschaften und IWAS World Junior Games sowie bei nationalen Titelkämpfen in der Halle und im Freien kommen hinzu.
Und Jürgen Palm, der Meetingorganisator und Stützpunktleiter des LAZ Rhede, sagte: „Marcus ist im Anlauf viel schneller geworden. Sein Anlauf ist eleganter geworden. Irgendwoher muss die Energie ja kommen. Wenn die anderen sagen, dass das durch die Prothese kommt, dann haben die keine Ahnung.“ Und klar war er mächtig stolz, dass dieser Weltrekord nun in Rhede aufgestellt worden war. Aber klar war auch, dass Rehm noch zur Dopingkontrolle musste. Die Nationale Anti Doping Agentur Deutschland (NADA) war direkt mit zwölf Kontrolleuren angerückt, berichtete Palm. Denn eine offizielle Bestätigung der Weltbestmarke muss noch erfolgen. Auch im Rheder Wettkampfprotokoll musste dieser Weltrekord offiziell vermerkt werden.
Die schnellsten Athleten kommen aus Brasilien und Australien.
Lachlan Kennedy gewann am Sonntag beim 51. internationalen Leichtathletikmeeting des LAZ Rhede die 100 Meter. Der Australier triumphierte in 10,24 Sekunden. Das war ein Höhepunkt der Veranstaltung. Einen der ganz anderen Art setzte auf dem Nebenplatz Volodomyr Myslyvchuk: Der Ukrainer schleuderte den Hammer auf satte 74,22 Meter. Aufhorchen ließ auch die Britin Katie Head, die im Hammerwurf 67,56 Meter erzielte.
Ansprechend waren im Besagroup-Sportpark bei hohen Temperaturen auch die 20,88 Sekunden des 200-Meter-Siegers Kevin Ugo vom TV Wattenscheid. Fabian Dammermann (LG Osnabrück) legte die doppelte Distanz in 46,89 Sekunden zurück. Aufhorchen ließ auch der Langhürdler Conor Fry. Der Australier benötigte für die Stadionrunde 50,17 Sekunden. Und Florian Hornig wuchtete sich im Hochsprung über 2,16Meter.
Schnellste Sprinterin war am Sonntag die Brasilianerin Viktoria Cristina Rosa (11,38 Sekunden über 100 Meter), die auch die 200 Meter für sich entschied (23,61). Die Chilenin Marina Weil gefiel mit 51,34 Sekunden über die 400Meter. Schön zu sehen war auch, wie einige Parasportler in den verschiedenen Disziplinen mitwirkten.
Organisator Jürgen Palm bilanzierte auf der Tribüne des Besagroup-Sportparks: „Es ist wieder ein richtiges internationales Sportfest. Im Vorjahr war es aufgrund des Termins schwierig, da stand auch mehr das Jubiläum im Vordergrund. Dieses Mal war es deshalb wieder ein kleiner Neubeginn.“
Dazu beigetragen habe, dass das 51. Rheder Meeting als World Challenger Meeting deklariert wurde. Da parallel die Team-Europameisterschaften anstanden und ansonsten kein anderes großes Sportfest, war die Nachfrage für das LAZ-Meeting größer.
Die Athleten sind dann auch mehr oder weniger verpflichtet, daran teilzunehmen. Denn nur so können sie Ranglistenpunkte sammeln. Die fünf besten Leistungen fließen ein. Auch in Rhede konnten sich die Leichtathleten in dieser Liste nach oben arbeiten. „Der Weltverband möchte, dass die Athleten an höherklassigen Meetings teilnehmen. Für uns ist das deshalb ein großes Plus“, so der Stützpunktleiter.
Generell befand er, dass es ein gutes Meeting gewesen sei. Denn Palm fügte an: „Wir haben einige p Bs (persönliche Bestleistungen, die Redaktion) gesehen. Auf der Bahn war es knalleheiß.“ Die Athleten suchten sich im Schatten der Tribüne und unter Pavillons etwas kühlere Plätzchen. Die Leichtathleten, gerade Sprinter und Springer, lieben aber durchaus solche Bedingungen.
Palm freute sich auch über die vielen Nationen, rund 20 an der Zahl, die vertreten waren. „Es gab sehr viele sympathische Begegnungen mit Athleten. Da konnten gut Kontakte geknüpft werden“, sagte der Rheder Coach, der selbst überall anpackte und half: Erst coachte er Springerinnen, dann ging es kurzerhand über die Bande, um Hürden zur Seite zu räumen. Erneut hatte das LAZ Rhede viele helfende Hände: Ob an der Kuchentheke, beim Läuferdienst oder an den stark frequentierten Getränkeständen.
Todtraurig und auch durchaus den Tränen nahe war eine Athletin, ausgerechnet eine vom LAZ: Enie Dangelmaier. Was war geschehen? Die Weitspringerin hatte wirklich einen ganz weiten Satz in die Grube gemacht. Aber die Wettkampfrichterin gab den Versuch ungültig. Dann wurde noch mal genauer hingeschaut und plötzlich schien es dann doch nicht mehr ein Fehlversuch gewesen zu sein. Da hatte der Helfer aber den Landeabdruck von Dangelmaier in der Grube bereits weggemacht.
Die LAZ-Springerin, die sich jüngst auf 6,11 Meter gesteigert hatte, hätte liebend gerne vor dem rhythmisch klatschenden Heimpublikum die Norm für die Frauen-DM geknackt. Die dürfte aufgrund der Meldeliste bei rund 6,20 bis 6,25 Meter liegen, berichtete Palm. Und der Rheder Sprung in der Sonntagshitze wäre das durchaus gewesen . . .
So wurde die LAZ-Springerin mit 6,02 Metern in einem starken Feld Sechste, direkt vor Vereinskameradin Melanie Welsing, die in den USA lebt. Auch sie war durchaus etwas traurig, hatte sie doch gehofft, endlich mal die magische Sechs-Meter-Marke knacken zu können – sie landete bei 5,93 Meter.
Die nächste Gelegenheit, die DM-Norm zu erfüllen, will Dangelmaier im Übrigen am kommenden Wochenende bei den deutschen U23-Meisterschaften in Göttingen beim Schopfe packen, wie die LAZ-Springerin ankündigte. „Ich habe gezeigt, dass ich es kann“, hatte sie gesagt. „Es bringt jetzt ja auch nichts, sich noch weiter zu ärgern.“
Palm pflichtete ihr bei und war erstaunt, „dass Enie jetzt schon wieder so im Saft steht, da sie nach einer Krankheit im Mai die Saison unterbrochen hatte“. Der Stützpunktleiter überlegte, künftig auf Videomessung zu setzen, was allerdings kostspielig ist. Dafür wäre man aber nicht mehr auf die Plastillinmasse im Sprungbalken angewiesen.
Den interessanten Wettbewerb gewann die sehr gut aufgelegte Merle Homeier von der LG Göttingen, die im packenden sechsten Durchgang 6,47 Meter erzielte. Leticia Oro Melo schien direkt kontern zu können, erzielte aber 6,46 Meter. Sie hatte im Übrigen zuvor die bisher einzige Weltmeisterschaftsmedaille im Frauen-Weitsprung für Brasilien geholt. Die Südafrikanerin Karmen Fouche wurde mit 6,31 Metern Dritte.
Homeier sagte im Interview: „Hoffentlich komme ich mit nach Budapest.“ Dort finden die Weltmeisterschaften statt. Dorthin will auch die Hallen-Europameisterin Kristin Gierisch, die sich mit 13,73 Meter im Dreisprung behauptete.