
Für den 28-Jährigen, der beim LAZ Rhede seine Karriere startete, geht der große Traum der Olympischen Sommerspiele in Erfüllung.
BBV-Pressebericht von Matthias Grütter
Hendrik Pfeiffer in Aktion – hier bei seinem Sieg 2018 beim Bocholter Citylauf Foto:: Matthias Grütter
Rhede/Tokio - Hendrik Pfeiffer lebt gerade seinen Traum. Der Marathonläufer ist bei den 32. Olympischen Sommerspielen in Tokio am Wochenende am Start – sein Karriere-Höhepunkt.
Die absolute Zeit werde, „wie vermutlich bei allen Läufern“, aufgrund des Klimas leiden, blickt er voraus. „Wirklich glücklich bin ich hier nicht. Ich freue mich aber, dass die Olympischen Spiele überhaupt stattfinden“, so Pfeiffer. „Das ist immer noch besser, als wenn sie abgesagt worden wären. Aber der olympische Spirit ist leider Corona komplett zum Opfer gefallen.“
So sei es für ihn schwierig, sein Ziel zu definieren, „weil man eine Endzeit bei diesen Bedingungen kaum planen kann“. Wenn er sein Bestzeittempo angehen würde, „wäre das wohl zu riskant, weil die Wahrscheinlichkeit zu gering ist, durchzukommen“. Das Tempo müsse angepasst werden. Ein Platzierungs-Ziel auszugeben, würde somit auch keinen Sinn machen, „weil das Feld so stark besetzt ist und so dicht zusammen ist, sodass bei einer guten Tagesform 20, 30 Plätze weiter vorne drin sind“.
Pfeiffer ist um Rang 75 von über 100 Startern gelistet, also im hinteren Viertel. „Ich werde versuchen, möglichst viele Läufer hinter mir zu lassen. Es ist eine tolle Erfahrung, gegen so viele Topleute anzutreten. Ich will mich gut präsentieren. Das große Ziel war, hier hin zu kommen. Das habe ich erreicht. Der Rest, der jetzt kommt, ist Bonus“, so Pfeiffer. Er wolle das abrufen, was er dieses Jahr in den vier Monaten in den Trainingslagern in Kenia investiert hat.
„Die letzten Monate liefen sehr gut, was das Training angeht. Ich habe mich in einer ziemlich guten Form gesehen. Ich hatte allen Grund, optimistisch nach Japan zu fliegen“, so Pfeiffer. „Hier tue ich mich aber ein bisschen schwer, da ist ein Bruch drin, seit ich hier angekommen bin.“ Das würde am Jetlag aber auch an der extremen Hitze liegen.
Die Verlegung des Marathonlaufs aus Tokio weg in den Norden, wo es vermeintlich kühler ist, habe keine wirkliche Wirkung gehabt, „da auch hier die Temperaturen enorm hoch sind“, berichtet Pfeiffer. „Das wird eine große Herausforderung fürs Rennen, dass man eine gute Kühlstrategie hat.“ Das müsse gut organisiert sein. „Da haben wir viel Energie reingesteckt, dass das alles klappt.“ Und das könnte dann „in einer gewissen Weise eine Chance bieten“.
Pfeiffer erhofft sich so, einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten zu erarbeiten. Die Getränkeaufnahme würde nämlich eine deutlich größere Rolle spielen als in normalen Rennen.
Aber: So richtig rund würde es derzeit nicht laufen, „weil ich noch nicht so richtig im Schlafrhythmus bin, was auch nicht ungewöhnlich ist“. Deshalb mache er sich keine großen Sorgen, „aber das Feeling ist ein bisschen überschattet, auch durch die ganzen Corona-Auflagen“, sagt der 28-Jährige, der sich im japanischen Shibetsu in einem Trainingscamp befindet. Dort sind die deutschen Geher und Läufer untergebracht.
„Hier sind wir komplett raus, im Grunde haben wir mit Olympia nichts zu tun.“ Die Auflagen seien sehr scharf und werden von den Verantwortlichen sehr ernst genommen. „Das ist kein Vorwurf, aber wir sind komplett gefangen im Hotel“, so Pfeiffer. Die deutsche Delegation darf sich nur in drei Etagen aufhalten.
Selbst im Hotel dürfen wir uns nicht frei bewegen. Wir dürfen noch nicht einmal die Treppe benutzen, sondern müssen den Aufzug nehmen, damit wir möglichst niemandem begegnen, der nicht zu unserem Team gehört“, so der Langstreckenläufer des TV Wattenscheid.
Für den nächsten Tag müssten jeweils zwei Trainingszeiten benannt werden, damit man das Hotel verlassen darf. „Selbst dann sind Aufpasser dabei, man ist immer unter Beobachtung. Das fühlt sich ein bisschen surreal an, es ist schon sehr ernüchternd. Man darf sich noch nicht einmal 100 Meter vom Hotel entfernen, ohne das abgesprochen zu haben, eine Eskorte ist dabei. Das ist ein bisschen zu viel des Guten“, sagt der Ex-LAZ-Läufer.
„Das ganze Drumherum, was Olympia so besonders macht, ist zu 100 Prozent weggebrochen, Das alles ist sehr schade. Denn bisher ist hier überhaupt kein Olympiaspirit zu erkennen“, so Pfeiffer gestern. „Ich hoffe, dass es besser wird, wenn wir nach Sapporro fahren, dass da ein bisschen mehr Feeling ist.“ Dort wird in der Nacht zum Sonntag der olympische Marathonlauf als letzte Entscheidung ausgetragen.
Nun würde er sich auf seinen Wettkampf, auf dieses Erlebnis konzentrieren, „gegen die besten der Welt anzutreten“. Besonders bitter aus seiner Sicht: „Bei der Abschlussfeier werden wir nicht dabei sein dürfen, obwohl wir am allerletzten Tag dran sind.“
Direkt nach dem Lauf geht es im Flugzeug nach Tokio. „Wir sind vor Ort, müssen aber in einem Flughafenhotel übernachten. Das kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Pfeiffer. „Jede Sache, die Olympia so besonders macht, wird uns genommen. Darüber bin ich sehr enttäuscht. Vom Land sieht man, was über eine Bus- oder Autofahrt hinaus geht, auch überhaupt nichts, auch wohl nichts von Tokio.“
Und so bleibt ihm der olympische Marathonlauf, der Traum seines Lebens. Und auf diesen freut er sich aber sehr, wie Hendrik Pfeiffer gestern versicherte.